Sagen & Erzählungen

Sagen und Mythen – fantastische Erzählungen, die viele Orte erst interessant machen. Mündlich von Generation zu Generation überliefert, enthalten sie zwar ein Fünkchen Wahrheit sowie eine Moral, der Großteil des Inhalts jeder Erzählung ist jedoch über die Jahre ausgeschmückt und umgestaltet worden. Auch um die elf Orte der Naturparkregion Reutte ranken sich zahlreiche Sagen und Mythen. Mit freundlicher Unterstützung von Peter Linser, Autor des beliebten Buchs „Sagenhaftes Außerfern“, sowie der Kulturführerin Alexandra Posch haben wir an dieser Stelle einige Erzählungen unserer Region gesammelt. Die Illustrationen stammen von Brigitte Köck aus Häselgehr. Wir wünschen viel Spaß beim Schmökern!

Der Kreckelmoosgeist

Nahe Breitenwang, im ehemaligen Bezirkskrankenhausgebäude, spukte vor langer Zeit der Kreckelmoos-Geist. Er warf die Leute von der Ofenbank und auch im Stalle, wo er gewöhnlich in einer Ochsenkrippe steckte, trieb er sein Unwesen. Er scheuchte die Knechte hinaus, belästigte das Vieh und hängte es von den Ketten ab. Im Sommer sah man ihn zuweilen auf den Wiesen und nicht zu selten hielt er den Heuern die Gabel fest, ohne dabei sichtbar zu sein. 

 

Über seine Herkunft wird Folgendes erzählt: 

Vor vielen hundert Jahren war einmal ein fremder Offizier lange Zeit im Kreckelmoos-Gebäude einquartiert. Bei seinem Weggang ließ er dem Wirt drei verschlossene Fässer zurück mit der Bitte, sie, falls er nicht binnen Jahresfrist wiederkomme, an eine bestimmte Adresse zu schicken. Das Jahr verging ohne Rückkehr des Fremden und auch die Fässer wurden vergessen. 

Nach langer Zeit gingen die Kreckelmooser daran, dieselbe zu öffnen. Obenauf fanden sie nur Schuhnägel, aber weiter unten kamen lauter Goldstücke zutage, die sich die neugierigen Bauern aneigneten. Dadurch reich geworden, kauften sie nun viele Felder und Grundstücke, errichteten Handelshäuser und hatten zuletzt sogar eigene Schiffe auf dem Meer schwimmen. Aber das unredlich erworbene Gut brachte kein Glück. 

Sobald der erste Kreckelmooser gestorben war, musste er zur Strafe geistern. Dieses Schicksal teilten alle seine Nachfolger, bis endlich der letzte Sprössling seines Geschlechts verarmt als Kind starb. Bei dessen Tod entstand ein schrecklicher Lärm und eine „sechsspännige Kutsche“ sei die ganze Nacht ums Haus gefahren. Später wurde dann der Geist unter Musikbegleitung in die nahen Stuibenfälle gebannt. 

Die Saligen Fräulein am Gachtberg

Neben der Straße zwischen Höfen und Weißenbach erheben sich die steilen Schrofen des Gachtberges. In den Klüften und Höhlen hielten sich früher Salige Fräulein auf und als vermeintlicher Standort ihres Schlosses wird heute noch das „Hexenplätzle“ genannt. Oft sah man die Fräulein kochen, aber auch beim Tanz zu schöner Musik und lieblichem Gesang wurden sie beobachtet. Nicht selten besuchten sie ohne schlechte Absichten die Hirten, sie waren überhaupt den Leuten wohlgesinnt.

 

Einmal schenkte eine Salige einer Lechtalerin für erwiesene Dienste ein Schächtelchen, aus dem ein Zwirnsfaden ragte. Sie dürfe daran ziehen, so oft und so viel sie wolle, der Zwirn werde ihr für ihr Lebtag nicht ausgehen. Nur dürfe sie den Behälter nie öffnen. Solange sich die Frau daran hielt, hatte sie Zwirn im Überfluss. Als aber nach Jahr und Tag die Neugierde über das Verbot siegte und sie die Schachtel aufmachte, ging der Faden aus und sie hatte sich ihr Glück verscherzt. Als einmal ein Bauer mit seinem Ochsengespann vorbeikam, rief ihm ein Saliges Fräulein zu: „Jochtrager, sag der Stuzze Marizze, Schalingge ist gestorben!“ 

Der Bauer kannte niemanden dieses Namens und erzählte daheim von dem wunderlichen Auftrag. Da fing seine Magd, die zugehört hatte, zu weinen und zu jammern an und sagte, jetzt müsse sie heim. Und auf der Stelle verließ sie den Dienst. Dem Bauern tat das sehr leid, denn die Magd, die wohl ein Saliges Fräulein gewesen sein mag, war überaus fleißig und brav gewesen.

Geisterbann im Stuibenfall

Wenn irgendwo, meist mit geistlichem Beistand, eine unerlöste Seele vertrieben werden sollte, wurde sie für weltewige Zeiten in eine abgeschiedene Gegend verbannt.

 

Ein bevorzugter Verbannungsort für Reutte und seine Umgebung waren die „Stuibenfälle“. So trug man seinerzeit den Geist „Hans Bumm“ – gefangen in einer Flasche bzw. Dose – unter Trommelklang und Pfeifenspiel dorthin. Der „Plumpergeist“ ging in einem Kittelärmel in die Falle und wurde darin hierher verbracht. Dabei war merkwürdig, dass mit dem Aussetzen der Musik auch der Geist nicht mehr weiter gebracht werden konnte. Bei Nacht sahen nach ihrer glaubwürdigen Aussage zwei nahe dem Stuibenfall wohnende Schwestern im Wasserstaube des tosenden und schäumenden Archbaches mehrere helle Lichtlein herumtanzen.

Der Drache im Urisee

Gleich oberhalb von Mühl liegt auf einem Ausläufer des Dürrenbergs der kleine, aber tiefe Urisee. Auf der anderen Talseite erstreckt sich auf einem Vorsprung der Gehrenspitze der stille Frauensee. Der Urisee beherbergt in seiner Tiefe einen abscheulichen Drachen, der nachts zuweilen in feurigem Funkenflug zum Frauensee hinübereilt. Sieben Köpfe habe das Untier und es sonne sich manchmal am sonnigen Ufer, behaupten einige. Andere wollen schon gesehen haben, dass der Drache aussehe wie ein „geschundenes Ross“.

 

Vor Zeiten soll an der Stelle des Urisees eine gutgehende Schmiede gestanden sein. Leider aber war die Frau des Meisters eine Schlange und gottvergessen. So soll sie, als ihr Söhnchen einmal in den Straßenschmutz gefallen war, es statt mit einem Tuch oder Schwamm mit frisch gebackenem Weißbrot gereinigt und abgetrocknet haben. Das erzürnte den Himmel so sehr, dass die Schmiede versank und der See entstand. Die Frau wurde in einen Feuerdrachen verwandelt, der nun im Wasser Strafe und Pein erleidet. Einzelne meinen auch, wenn das Wasser des Sees niedrig stehe, so bedeutet das ein fruchtbares Jahr.

Goldbrünnele und Venedigermännle

Auf der Raazalpe im Rotlechtal ist eine Quelle, aus der zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt pures Gold fließt und wer diesen Augenblick wüsste, wäre mit einem Schlag reich. Oft kamen dorthin Venedigermännlein und holten von dem Gold, denn diese wussten genau die Stelle und den rechten Augenblick. So traf es einmal zu, dass zu dieser bestimmten Zeit eine Magd von der Sennhütte zum Brünnlein kam, um Wasser zu holen. Da sah sie aus gehöriger Entfernung, wie sich ein kleines Männlein mit breitkrempigem Hut an der Quelle emsig zu schaffen machte; der kaum tischhohe Knirps schöpfte mit einem kleinen Gefäß aus dem Brunnen. Die Sennerin fürchtete sich vor dem sonderbaren Fremdling und getraute sich nicht weiter. 

 

Da sie aber nicht ohne Wasser in die Hütte zurückkommen durfte, fasste sie sich ein Herz und ging näher hin. Das Männlein erschrak nicht, war auch nicht böse, redete sie freundlich an und fragte sie sogar, ob sie nicht auch etwas von dem möchte, was er gerade herausgeschöpft habe. Das bejahte die Dirn sogleich, musste sie doch dringend Wasser heimbringen. Da gab ihr der Venediger zu ihrem Erstaunen einen Brocken. Ohne Widerrede kehrte sie zur Hütte zurück. Es fand sich, dass der Klumpen reinstes Gold war und die Magd musste nun alles erzählen.

 

Der Bauer fuhr sie in seiner Unzufriedenheit wild an und schrie zornig: „Du dummes Ding! Warum hast du dir nicht mehr davon geben lassen? Gleich gehst du hinaus und holst mehr!“ So schnell das Mädchen auch wieder zum Brünnlein lief, das Männchen war verschwunden. Das Wässerchen sprudelte wie immer und nirgends war mehr eine Spur von Gold zu sehen.

Das Mangsessele

Als der hl. Magnus nach Reutte kam, um den Leuten das Christentum zu predigen, machte er in der Nähe von Oberletzen eine Rast. Müde setzte er sich auf einen großen Stein. Dort, wo er sich niedergelassen hatte, sieht man heute noch eine Vertiefung. Sie hat die Form eines Sessels. Die Leute nennen deshalb diesen Platz das „Mangsessele“ oder auch „Sankt Mang Sessele“.

Der selige Bruder Ulrich

Im Jahre 1380 starb in Musau der fromme Klausner Ulrich. In einer angeblich lateinischen Urkunde in Füssen steht: „Im Hoheneckischen Unterstandsbezirk Musau ließ sich Bruder Ulrich, des als Pilger kam, nieder, lebte in der stillen Einsamkeit und widmete sich den Werken der christlichen Nächstenliebe. Er war ein Wohltäter und Friedensbote der Gegend, er war (wie es in der Chronik des P. Plazidus Keller heißt) ein büßender Ritter.“ Aus seinem Leben und seiner stillen Umgebung seien nur ganz wenige Überreste vorhanden: ein Stock aus Schwarzdorn mit einer eisernen Spitze und eine hölzerne Wasserflasche. Früher waren auch noch sein Hut sowie die Bettstatt, in der er starb, vorhanden…

 

Als dieser fromme Einsiedler auf dem Totenbett lag, es war tiefer Winter, kam ihn einmal die Lust an, Erdbeeren zu essen. Als die Anwesenden diesen ungeziemenden Wunsch ablehnten, rügte er sie wegen ihrer Kleingläubigkeit und schickte sie auf den nächstgelegenen Hügel. Tatsächlich fanden sie dort, mitten im Eis und Schnee, frische Erdbeeren. Noch heute heißt jene Erhebung wegen dieses Wunsches „Beerbichl“.

Der Tod nahte und Bruder Ulrich teilte seinen letzten Wunsch mit: Man möge seinen Leichnam auf einen Wagen legen, zwei unabgerichtete junge Stiere daranspannen und ihn dort, wo diese ihn hinziehen, begraben. Als er gestorben war, legte man den Leichnam auf einen Wagen und spannte zuerst zwei zahme Ochsen davor, die schon öfters gezogen hatten. Erst als diese das Gefährt nicht von der Stelle bringen konnten, spannte man junge Stiere an. Diese zogen zur Verwunderung aller den Wagen durch den Lech und auf den Hügel, wo die heutige Pinswanger Kirche steht. Dort blieben sie wie angewurzelt stehen und waren nicht von der Stelle zu bringen. Man nahm den Toten vom Wagen und begann, ein Grab zu schaufeln. Da geriet man an einen großen Stein, unter dem sich eine mannslange Grube befand. Darin wurde der selige Ulrich bestattet.

Der Wächter der Kniepaßschanze sah in der Nacht an diesem Grab immer zwei Lichtlein brennen. Dies soll der Anlass gewesen sein, dem Verstorbenen eine eigene Gruft zu bauen, wo er heute noch ruhen soll. Auch in dieser Grabkammer soll man öfters zwei Kerzenlichter brennen gesehen haben. Eifrig besuchte das Volk seine Grabstätte. Im Laufe der Zeit geschahen dort mehrere Wunder und die wunderlichsten Dinge. Eine Kapelle wurde erbaut und wegen des großen Andranges bald vergrößert. Heute beherrscht die sakrale Schönheit der barocken Pfarrkirche von Pinswang wohltuend die landschaftliche Szenerie.

Die goldenen Roßbollen

Wo sich einst die stolze Burg Vilseck erhob, kündet nur noch verfallenes Gemäuer vom ehemaligen Glanz.

 

Wucherndes Gestrüpp wächst in den Höfen und die Raben sitzen in den morschen Fensterleibungen. Einmal spielten ein paar Kinder in den Trümmern der Ruine. Da fanden sie in einem entlegenen Gewölbe frischen Pferdemist, der an einer Stelle lag, an die nie ein Ross hinkommen kann. Das kam den erstaunten Kindern denn doch seltsam vor. Einige von ihnen nahmen daher etliche Roßbollen mit. Zu Hause zeigten sie ihren sonderbaren Fund und siehe da – die Roßbollen hatten sich in pures Gold verwandelt. Schnell liefen sie nach Vilseck zurück, um auch die restlichen zu holen. Aber sie fanden kein Stäubchen mehr.

Der Schatz im Schloss Windegg

Irgendwo zwischen Wängle und Lechaschau soll in längst vergangener Zeit ein Schloss gestanden sein. Wann und wieso „Windegg“ verschwunden ist, kann heute niemand mehr sagen. Lange hielt sich die Meinung, dass an seiner Stelle ein reicher Schatz in der Erde liege. Vergeblich wurde des Öfteren versucht, das Geheimnis zu lüften und den Schatz zu heben.

 

Einmal fassten zwei beherzte Männer den Entschluss, es wieder einmal zu versuchen. Lange gruben sie in der steinigen Erde, bis sie endlich in acht bis neun Fuß Tiefe auf Widerstand stießen. Eifrig wühlten sie weiter, bis endlich eine eisenbeschlagene Truhe zum Vorschein kam. Sorgfältig schaufelten sie das Behältnis frei und schickten sich gerade an, den Schatz zu heben. Da freute sich einer der beiden, glücklich über den Fund, mit den Worten: „Jetzt hammer’s!“ In diesem Augenblick taumelte er zu Boden, als hätte ihm eine unsichtbare Hand eine Ohrfeige versetzt; in der Kiste begann es zu rumpeln und zu rumoren – ungeöffnet versank sie für immer in der Erde. Dem Schatzgräber aber blieb von der Ohrfeige zeit seines Lebens ein „krummer Mund“.von Pinswang wohltuend die landschaftliche Szenerie.

Der Zauberer in der Plattenmühle

Ehedem hatte man in der Plattenmühle bei Höfen einen neuen Mahlknecht eingestellt. Bald munkelte man über ihn, er stehe mit bösen Mächten in Verbindung und sei mit deren Hilfe imstande, allerlei Zauberei auszuführen. Da hörte nun einmal in der Heiligen Nacht die hellhörige Müllerin das Mahlwerk gehen. Sogleich weckte die gute Frau ihren Mann und hieß ihn Nachschau halten. Der glaubte seinen Augen nicht zu trauen: in der Mühle war das Werk voll im Gange. 

 

Der Mahlknecht arbeitete wie ein Besessener. Was da aber gemahlen wurde, war nicht etwa Korn, sondern pures Gold. Anstatt des Mehles kamen haufenweise blinkende Goldmünzen zum Vorschein. Mit diesen füllte der Knecht einen Sack um den anderen. Mit offenem Mund und glänzenden Augen zählte der staunende Müller die prachtvollen Säcke – vierundzwanzig waren schon bis obenhin gefüllt. Den rechtschaffenen Mann aber erfasste darob ein solches Entsetzen, dass er auf der Stelle den unheimlichen Knecht mit all seinem Teufelsgeld auf und davon jagte.

Der Schlossgeist

In Ehenbichl schreckte in früherer Zeit ein Geist in Gestalt eines Pudels die Menschen. Manchmal war er rot, manchmal schwarz und hatte feurige Augen, fast so groß wie ein Mühlrad. Dem Riefe-Peter stahl er einmal aus der Selchkammer eine Speckseite und lief damit davon, der Bauer mit einem Stecken hinterdrein. Die Jagd ging in den Wald bis unter den Schlossberg. Dort verschwand der Pudel plötzlich und der Peter stand vor einem Felsspalt. Im Hintergrund der geheimnisvoll erhellten Kluft sah der atemlose Bestohlene den Geisterhund mit einem Schlüssel im Maul auf einer Kiste hocken. Er getraute sich aber nicht weiter und kehrte voll Angst wieder um.

 

Wäre der Bauer in den Spalt hineingegangen und hätte dem Tier den Schlüssel entrissen, so hätte er den Geist erlöst und wäre ein gemachter Mann gewesen. Die Kiste war nämlich voller Geld. Der Pudel sei zu Lebzeiten ein Torwart des Schlosses Ehrenberg gewesen, der aus den Truhen und Kästen der Festung wie eine Elster gestohlen habe. Zur Strafe musste er nach seinem Tode als Hund geistern und das gestohlene Gut bewachen, bis ihn ein Mutiger erlöst. Der Riefe Peter hat sich aber nicht getraut und so wird der verzauberte Torwart noch heute auf seinen Schätzen sitzen.

Der Kniepassgeist

Wo sich die Straße zwischen Pflach und Pinswang über den Felsriegel des Kniepasses schlängelt, war früher eine Befestigungsanlage, das „Lechschänzle“. Dieses Schanzwerk, der Feste Ehrenberg vorgelagert, um den ersten feindlichen Angriff abzuwehren, wurde letztmals 1809 instandgesetzt und ist heute verfallen.

 

Der Mahlknecht arbeitete wie ein Besessener. Was da aber gemahlen wurde, war nicht etwa Korn, sondern pures Gold. Anstatt des Mehles kamen haufenweise blinkende Goldmünzen zum Vorschein. Mit diesen füllte der Knecht einen Sack um den anderen. Mit offenem Mund und glänzenden Augen zählte der staunende Müller die prachtvollen Säcke – vierundzwanzig waren schon bis obenhin gefüllt. Den rechtschaffenen Mann aber erfasste darob ein solches Entsetzen, dass er auf der Stelle den unheimlichen Knecht mit all seinem Teufelsgeld auf und davon jagte.

Geisterspuk zu Pflach

Oberhalb der Hüttenmühle bei Pflach steht auf einem Hügel am Weg zum Pestfriedhof das alte Ulrichskirchlein. An diesem Ort soll es nicht ganz geheuer gewesen sein. In der Kapelle soll früher an den Sonntagen abends nach dem Gebetläuten jedes Mal ein Geistlicher in vollem Ornat, aber ohne Kopf bei der Sakristei herausgekommen sein, der in seinen Armen ein „Schenkkind“ trug. Dann liefen die überraschten Beter ganz entsetzt zur Kapelle hinaus. Ein Mädchen, das dieses erlebte, erschrak so sehr, dass es für sein Lebtag von Sinnen war.

 

Oft sah man eine feurige Kugel, die von der Kirche den Hügel hinab auf die Straße rollte und im rauschenden Archbach verschwand. Zur Adventzeit bemerkte man im Turm helle Flämmlein tanzen. Gleichzeitig erklang aus dem Inneren des einsamen Gotteshauses geheimnisvolle Musik für empfindsame Ohren, die sich in die Nähe trauten.

Die Hüttenmühl-Liesl (Elisabeth Schöneich, um 1910 mit 82 Jahren verstorben) hatte schon immer Mitleid mit den armen Unerlösten empfunden. Als sie in ihren alten Tagen sonst nichts mehr tun konnte, ging sie oft in das Ulrichskirchlein hinauf und betete für die Geister. Was sie da alles erlebt hat, weiß man nicht; aber die alte Frau wurde immer wunderlicher und schließlich sagte man ganz offen: „Die ist nimmer ganz recht.“ Doch seither sind die Geister verschwunden.

Auch im Turm ging es nicht mit rechten Dingen zu. Wenn der alte Hüttenmüller nachts mit seinem Fuhrwerk vorbeikam, verstummten immer die Pferdeschellen und die Rosse begannen zu zittern und zu schwitzen. In der Mühle kamen sie dann ganz erschöpft und schweißtriefend an. Der alte Mann hörte auch, wenn er den abendlichen Heimweg hier vorbei nahm, aus der Kapelle ein jämmerliches Weinen und Wehklagen.